workshopserie 'Intervalle' | Springhill-Belfast 1993

The location

Springhill Belfast
(mit Eric Kempf, Université de Lausanne)

Die Einladung aus dem Winterschool-Commitee von Queens University Belfast, als lecturer und workshop-Betreuer eine der vielen Einzelveranstaltungen zu übernehmen, kam im Herbst 1993.

Red-brick terraced houses in the British style ar replacing the old workers' homes in Springhill

Belfast war seit 30 Jahren mit Meldungen zum sog. Nordirlandkonflikt in der deutschen Presse vertreten, sonst hörte man kaum etwas und wußte auch wenig über diese Stadt. Gerade im Vorjahr hatte sich dieser Konflikt wieder einmal in einer blutigen Eskalation von Gewalt, Gegengewalt und Unterdrückung festgefahren.

Bombproof gardens are the order in western Belfast: no trees, no shrubs, no grass

Mit Beginn der Winterschool dann wurde schnell klar, dass der erwartete Beitrag, Starthilfe für ein Parkprojekt im katholischen Westteil der Stadt zu geben, weder inhaltlich noch formal im Rahmen der britischen Queens University aufgehoben sein könnte, sondern extern, völlig eigenständig und auch eigenverantwortlich würde stattfinden müssen.

The plan for Springhill Linear Park is characterized by memories of Celtic traditions and public involvements in the planning prozess, a necessity given the tension of the political situation

CTA (Community Technical Aid, eine halbstaatliche Organisation, deren Aufgabe es war, Initiativgruppen technische und organisatorische Hilfestellung zu geben) brauchte politisch neutrale Unterstützung, um das Parkprojekt im Westteil der Stadt fördern zu können, dessen bürgernahe Planung den britischen Entscheidungsträgern wohl schon lange ein Dorn im Auge war. CTA hoffte daher auf Unterstützung aus der internationalen Dozentenschaft der Winterschool.

Murals express daily life as it is experienced in Belfast

Annehmen oder ablehnen und wieder nach Berlin, bzw. Lausanne zurückfliegen? Nach einer ersten Begehung und Gesprächen mit dortigen Anwohnern und Initiativgruppen stand der Entschluß, hier vor Ort, gemeinsam mit den Anwohnern und einer Studentengruppe der Winterschool ein Entwurfskonzept für den kleinen Stadtteilpark zu entwickeln, fest. Die soziale Deprivation des kleinen Sanierungsgebietes gegenüber dem wohlsituierten Osten von Belfast war augenscheinlich. Städtische Infrastrukturen fehlten völlig. Der einzige halblegale Einkaufsladen‚ Mary's Shop', war in einer Ruine an der Springhill Avenue untergebracht. Hier, wo das Individuum hinter postmodernen Zeichen von Militanz und Machtgehabe zu verschwinden drohte, gab es auch kaum Chancen, tatsächlich neutral zu bleiben, weshalb leider alle Studenten, die von der britischen Mutterinsel kamen, am nächsen Tag nicht mehr teilnehmen wollten und nur sechs Studenten, die in der Umgebung von Belfast wohnten, dabei blieben.

Sacred trees and a mythological bird were the sources for the design of the park in Springhill

Jetzt endlich, in der dreitägigen intensiven Arbeitsphase, konnte auch über die Schönheit der umgebenden Landschaft, eiszeitliche Drumlins und identitätsstiftende Rückgriffe auf keltische Mythologie und Ornamentik gesprochen werden. Am Ende der Veranstaltung war ein meterlanges wallpaper entstanden, aber die Zeit reichte nicht, die vielen wunderbar widersprüchlichen Ideen zu einem schlüssigen Entwurfskonzept zusammen zu fassen. Die Skizzenrolle ging mit nach Berlin, wo durch Überlagern der unterschiedlichen Konzepte das Gemeinsame herausgefunden und die tragenden Motive in einem homogenen Entwurfsplan zusammengebracht werden konnten, der per Post dann wieder nach Belfast zurück ging. Ob dieser Park jemals gebaut werden wird? Darüber wird immer noch in London entschieden.

Years later comes the London arbitrament: nothing but a greenfield and a soccer pitch

Nachtrag
Die Londoner Entscheidung zeigt sich dann 2013 im Satellitenbild: zwischen Springhill Rd. und Divismore Park sind die Ruinen abgetragen und mit Red-Brick-Houses ergänzt. Anstelle eines poetischen Parks, so wie er 1993 in Springhill von der Projektgruppe zusammen mit den Bewohnern erdacht wurde, ist – nicht ganz unerwartet - lediglich eine baum- und strauchlose Ödnis mit Ballspielplatz entstanden.