workshopserie 'Intervalle' | Isola Palmaria Projekt 1989

Der Ort

Making and matching - das Isola Palmaria Projekt als Beispiel für workshop-Arbeit

Im Dialog mit dem Ort
Im Frühjahr 1989 wurde die auf den ersten Blick so friedlich wirkende Insel Palmaria, die aber seit Jahrhunderten mit ihren Fortifikationsanlagen in der Bucht von La Spezia dem Militär dient, als neuer workshop-Ort ausgewählt. Die Batteria Umberto I und die kolossale Forte Cavour sind die ältesten noch gut erhaltenen Festungsbauwerke auf der Insel, die bis in die Neuzeit durchgängig von Österreichern, Franzosen, Italienern, zwischenzeitlich auch von Deutschen, militärisch genutzt wurden.

Lageplan
workshoparbeiten

Noch heute sind in der Forte Cavour über gasdicht gepanzerten Türen Worte wie ‚Hauptgefechtsstand' oder auch ‚Küche' erkennbar. Erst vor wenigen Jahren gelang es der Gemeinde Portovenere nach langen Verhandlungen mit Staat und Militär, wenigstens einen Teil der Kasematten in der oberen Festungsanlage, der Forte Cavour, auch zivilen Nutzungen zuzuführen. Hier würde die workshop-Crew wohnen können.


Inside
Morales /Carrara

Die Insel zeigt auf kleinstem Raum die ökologischen und kulturellen Konflikte der ligurischen Landschaft. Friedliche Gartenparadiese, geliebt, gehegt und eingebettet in immergrüne Steineichenwälder, stehen unvermittelt einer seltsam erstarrten, untoten Architekturlandschaft gegenüber, die in ihrer Aggressivität die abgebrannten Pinienwälder, die verdorrten Anbauterrassen und die dem Verfall preisgegebenen Häuser quasi als logische Konsequenz erscheinen lässt.

(oben) Rückbau
Gruppenarbeit

(unten) Non lo so
Schneider /Berlin

Making and matching
Das nicht einfache Thema des workshops war die große Frage nach einer möglichen Zukunft dieser Insel, die bereits Objekt touristischer Begehrlichkeiten geworden war und nun zum Niemandsland für große und kleine Brandstifter zu werden drohte. Einem solchen Gebiet ausgesetzt würden die workshop -Teilnehmer sehr bald feststellen müssen, dass sie ihre im Studium erlernten Kriterien hier nicht würden verwenden können. Stehen doch (sehr verkürzt gesagt) im Studium vor allem die Was- und Warum-Fragen im Vordergrund und Wirklichkeit kann im Seminarraum zwangläufig nur als Simulation erlebt werden.

Lala – Land
Performance auf der Festung Umberto I Eichner, Berlin

Making and matching dagegen hat sehr einfache Voraussetzungen. Nur wer tätig werden kann, herumgehen oder dergleichen, wird eine fremde Umgebung erfassen können. Beim aktiven Prozess des Machens und Passend-Machens liegt das Gewicht, anders als im Studium, auf der Rolle des Tuns bei der Interpretation. Die Sinne fordern zu Hypothesen heraus und sie helfen, indem sie bei Auslese oder Widerlegung Hilfestellung leisten. Im Isola Palmaria Projekt waren die Teilnehmenden gefragt, dem diffusen, von der Insel ausgelösten Unbehagen nachzugehen, Spuren zu finden und miteinander in Beziehung zu setzen und so diese Insel vielleicht zum allerersten Mal ihre eigene Geschichte in ihrer eigenen Sprache mit Bildern, Skulpturen, Installationen erzählen zu lassen.

Telegram Sam
Performance und Installation an den Grotta dei Colombi Noble, Lee /Canterbury

Diese offene Fragestellung entspricht der Konzeption aller sechs workshop-Veranstaltungen. Die Teilnehmenden sind dem Ort jeweils für drei bis vier Wochen ausgesetzt. Es gibt keine Trennung von Wohnen und Arbeit. Der Ort ist Wohnung und Arbeitsfeld zugleich. Einfache "Richtig-Falsch-Aufgaben" werden nicht gestellt. Was zählt, ist die Bereitschaft, sich anteilnehmend in die ungewohnte Umgebung hinein zu begeben und im Spannungsfeld zwischen Vorgefundenem und dem Wunsch, eigene Spuren zu legen, die vorhandenen Zeichen flukturierend neu zu ordnen.

(oben) Thorns
Performance und Rauminstallation in der Festung Forte Cavour Hundsdörfer, Kocijancic /Berlin, Mac Leod /Hull

(unten) Labyrinth
Rauminstallation und Performance in der Festung Forte Cavour Black /Hull, Klot /Berlin


Die Kommune von Portovenere hatte nach der Zukunft der Palmaria gefragt. Beim Grande Finale, der öffentlichen Abschlussveranstaltung, lassen sich die workshop-Arbeiten lesen wie ein Bilderbuch, das nicht mit Bedeutungen belegt und auch keine Absichtserklärungen abgibt, sondern zu einer Darstellung dessen kommt, was die Insel hat, was sie ist und was sie will.